Die Demokratie stirbt langsam und leise hinter verschlossenen Türen

Kolumne – März 2017

Sie glauben es also wirklich: Die Trumps und Erdoğans dieser Welt sind weit weg. In der Tat, ich sitze nicht im Gefängnis. Politische Repression sieht in Kirchheim anders aus: 1x das Abstimmungsverhalten aus nichtöffentlicher Sitzung öffentlich gemacht = € 600 Ordnungsgeld, Gebühr inklusive. Da ändert auch Dr. Alfred Scheidler nichts, wenn er in der KommunalPraxis Bayern schreibt: „Das Gesetz geht davon aus, dass Öffentlichkeit die Regel ist, die nur ausnahmsweise und eingeschränkt durchbrochen wird. Daher sind nur die wirklich geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalte einer nichtöffentlichen Sitzung dauerhaft geheim zu halten. Die Frage, wie ein Gemeinderatsmitglied in nichtöffentlicher Sitzung abgestimmt hat, gehört nicht dazu.“ Dr. Scheidler ist nicht irgendwer, sondern stellvertretender Landrat im Landkreis Tirschenreuth. Und KommunalPraxis Bayern ist nicht irgendeine Fachzeitschrift, sondern Pflichtlektüre in vielen Gemeinden. Es ist zwar richtig, dass die Sache mit den nichtöffentlichen Abstimmungen in älteren Kommentaren auch anders gesehen wird – manche nennen das dann herrschende Meinung –, aber wohin die Reise geht, ist klar. Die Fortschrittlichen und Aufgeschlossenen bekennen sich zu einer freien und offenen Gesellschaft und zu Ihrer Stimme. Die anderen sind Bürgermeister oder
in der Kirchheimer CSU und freuen sich, dass über das Ordnungsgeld nicht-öffentlich abgestimmt werden konnte und die Gaukelei mit dem „mehr Miteinander“ weitergehen kann. Wer Gemeinderatskollegen verbieten will, darüber zu sprechen, wie ein Abstimmungsergebnis war, wie sie selbst oder wie andere abgestimmt haben, ist gestrig und disqualifiziert sich selbst.

Doch damit nicht genug. Der Bürgermeister nimmt € 150.000 (!) in die Hand und spannt seinen Verwaltungsapparat ein, um für das, was von der Ortsentwicklung übrig geblieben ist, zu werben. So weit, so gut. Doch während die KiMis durch die „Informations“-Beilagen zur Ortsentwicklung dicker werden, bekommen wir im gemeindeeigenen Blatt keinen Zentimeter Platz für unsere
etwas andere Position. Demokratie ist nicht die gezielte Unterdrückung der Minderheit durch die Mehrheit. Ein Demokrat ist bescheiden. Trump und Erdoğan sind doch näher und schneller ante portas als Sie dachten, oder? Derweil bekleckert sich das Landratsamt, geleitet vom CSU Parteifreund Göbel, auch nicht mit Ruhm. Die Schreiben enden mit dem immer gleichen Amtskauderwelsch: „Maßnahmen sind nicht veranlasst“. Doch manchmal geschehen Zeiten und Wunder. Das Landratsamt wies den Bürgermeister jetzt an, die Frage zu beantworten, wann wo auf gemeindlichen Grund das letzte
Mal von den Pächtern Glyphosat ausgebracht wurde. Nach über einem halben Jahr mauern wird es auch Zeit! Sonst ist das von der Gemeinde mit viel Tamtam eingeläutete „Jahr der Umwelt“ schon wieder vorbei. Mit Symbolik und großen Worten kennt sich unser Bürgermeister ja aus. Es müssen die letzten Schlagzeilen über Kreditaufnahmen in Millionenhöhe sein, dass mir jetzt die Arbeitsgruppe Haushalts-Konsolidierung in den Sinn kommt.

Dieses Thema dann ein andermal. Aber geht das? Letztlich hängt am Geld doch alles. Auch die Umwelt: Elektroladestationen, Elektrofahrzeuge für die Gemeinde, ÖPNV mit attraktiven Tarifen und Zonengrenzen, Energieversorgung in Gemeindehand und die Anlage von Naherholungsgebieten. Worauf will Kirchheim an anderer Stelle verzichten? Auf das Bürgerhaus offensichtlich nicht (wir schon); auf den Bürgersaal am Rathaus schon (wir eher nicht). Und wie der Ankauf von Flächen an der nördlichen Ortsgrenze als Bauerwartungsland zu Erholungsflächen im Moos passt, ist uns nicht ganz klar. Wir Grüne haben in der Gemeinde schon viele Umweltthemen angestoßen. Wir haben zum Beispiel das Umweltamt initiiert, die Solarförderung initiiert, Bürgerfahrräder zur Verfügung gestellt, mehrfach Umwelt- und Stromwechseltage durchgeführt, Lärm- und Feinstaubmessungen initiert – teilweise sogar fi –
nanziert. Manchmal konnten wir uns mit guten Anträgen nicht durchsetzen.
So beim Glyphosatverbot auf gemeindeeigenen Flächen im letzten Jahr. Wir werden uns beim Thema Umwelt wie bisher einbringen. Aber auch darauf achten, dass dem Trommelwirbel Taten folgen.

Rüdiger Zwarg und Andreas Zenner (kirchheim [at] gruene-ov [dot] de)

PS
Der Ortsverband steht uneingeschränkt hinter seinem Gemeinderat Rüdiger
Zwarg. Transparenz und Demokratie ist unser aller Thema. Und deswegen bittet
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