Eine Idee von einem starken Europa

Ein Kommentar von Bernhard Schüßler, Vorstandsmitglied des Grünen Ortsverbands

Ein Land in der Mitte eines Kontinents ist mit all seinen Nachbarländern befreundet, welches Land kann schon das von sich behaupten? Nur in der EU trifft das zu, was eindeutig belegt, dass Europa die beste Idee war, die Europa je hatte. Allerdings steht diese Idee unter Beschuss, von außen aber v.a. von innen. Einige wenden sich von Europa ab und vertrauen stattdessen auf Demagogen, die die Zeit zurückdrehen wollen. Wir sollten daher gemeinsam versuchen, eine verbesserte Idee von Europa zu finden, die wieder begeistert.

Stärke durch Vielfalt

Ich bin Europäer, nicht weil Europa überall gleich ist, sondern weil ich mich in ganz Europa wohl fühlen kann. Woran liegt das? Ich kann mir in jedem Fleckchen der EU sicher sein, dass meine Freiheits- und Grundrechte nicht zur Disposition stehen, dass ich keine Angst vor Krieg oder einem übergriffigen Staat haben muss und dass ich eine kritische Zivilgesellschaft vorfinde, die sich nicht scheut, auf die Straße zu gehen.

Deswegen lohnt es jede Mühe dieses Europa vor denen zu verteidigen, die es zerstören wollen; die sich erlauben in „Volkes Namen“ zu sprechen, wohlwissend, dass sie dabei stets eine kleinere oder größere Gruppe der Gesellschaft davon ausschließen; die sich durch die gezielte Spaltung der Gesellschaft versprechen, selbst zu der Elite zu werden, die sie vordergründig doch so kritisieren.

Es sind die Demokratie, der Glaube an die Menschenrechte und die Freiheit die Europa zusammenbringen. so konnte sich ein Europäisches Bewusstsein bilden und die Bürger*innen ein bisschen vereinen. Durch die Fixierung auf wirtschaftliche Belange, verbreitete sich jedoch das Gefühl, dass die EU überheblich sei und der Lobby statt den Bürgern Gehör schenkt. Einige endtäuschte Europäer*innen ziehen sich deshalb in die vertraute, übersichtliche und augenscheinlich sichere Kleinstaaterei zurück, wie die Wiederbelebung des „Heimat“ Begriffs zeigt. Das öffnet Nationalisten Tür und Tor, wenn wir nicht im Stande sind einen glaubhaften Gegenentwurf zu den ewig gestrigen Feindbildern zu entwickeln. Daher ist es besonders wichtig, Europa in die Kommunen und zu den Menschen zu bringen.

Ein Europa der Regionen treibt die Europäische Einigung voran ohne die zu verprellen, denen die Identifikation zu ihrem Ort oder Land wichtig ist. Ganz im Gegenteil, denn die kulturelle Vielfalt auf engstem Raum ist das was diesen Kontinent aus macht und die EU kann diese am besten fördern, sei es durch Anreize für Tourismus oder Gelder für den Ausbau der Infrastruktur.

Europa kann begeistern, wenn es nicht als Bürokratiemonster gesehen wird, sondern als Schutzinstanz individueller Rechte und Freiheiten auch gegenüber den jeweiligen Regierungen im Nationalstaat wie Beispielsweise Frauen in Polen, die für ihre sexuelle Selbstbestimmung kämpfen, Studenten in Ungarn, die sich den Mund nicht verbieten lassen wollen oder die Kirche in Italien, die sich gegen die menschenverachtende Flüchtlingspolitik Salvinis wehrt. Für all diese Menschen und noch viele andere ist die EU der Garant, der Anwalt für die Menschenrechte, die viele Länder aktuell zu schwächen versuchen.

Ohne Brüssel und das EU-Parlament, wäre auch das Leben in Deutschland um Einiges schlechter. Es ist der Europäischen Flora-Fauna-Richtlinie zu verdanken, dass die Klage des BUND Erfolg hatte und zum Stopp der Rodungen am Hambacher Forst führte. Dass facebook, Google und weitere nicht wie anderswo ungehindert alle Daten sammeln können, liegt an der EU-DSGVO, die schon jetzt als Vorbild für die ganze Welt gilt. Dass Apple und Amazon Milliarden Steuernachzahlungen tätigen müssen, haben wir der Richtlinie gegen Steuervorteile zu verdanken und dass die Autoindustrie dazu verpflichtet wird die Grenzwerte einzuhalten, kommt auch aus Brüssel und nicht aus Berlin, wo man alles versucht, um der Autolobby zu liebe, die EU-Gesetze zu umgehen.

Schließlich muss die EU endlich eine eindeutige Haltung für mehr soziale Gerechtigkeit einnehmen. Globalisierung und Digitalisierung verunsichern weite Teile der Bevölkerung und spalten sie in Gewinner und Verlierer. Eine Union, die als rein wirtschaftsorientiert wahrgenommen wird, kann nur wenige von sich überzeugen. Stattdessen braucht es eine EU für alle, die jedem EU-Bürger als Identifikation dienen kann. Der Neoliberale Irrweg der letzten Jahrzehnte hat zunächst die Finanzkrise und dann die Demokratiekrise mitverursacht. Dagegen gilt es jetzt Maßnahmen zu ergreifen. Mit einem Europäischen Mindestlohn, einem gemeinsamen Eurozonenhaushalt und einer einheitlichen Mindestbesteuerung für Unternehmen, könnte Europa den Europäer*innen zeigen, dass alle in der EU gleichberechtigt und gleichwertig sind sowie dass sich die Union wie eine Art Gewerkschaft, für die Bürger einsetzt und deren Interessen auch gegenüber mächtigen Konzernen verteidigen kann.

Der Europäische Traum

Die Macht der Diplomatie in einem von Gewalt gezeichneten Kontinent war die Voraussetzung für den Europäischen Staatenverbund, der auf der Welt und in der Geschichte nach seines Gleichen sucht.

Es ist der Europäische Traum, Frieden, Freiheit und allgemeinen Wohlstand über Grenzen hinweg zu ermöglichen. Klingelt da was? Die ersten beiden Versprechen sind untrennbar mit der UN und der Menschenrechtscharta verbunden während das letzte in gewisser Weise dem Ideal der sozialen Marktwirtschaft entspricht. So konnte Europa entstehen, mit der Maxime des Humanismus gepaart mit einer ökonomischen Ausrichtung, die Zusammenhalt stärkt. Diese beiden Säulen müssen wieder gestärkt werden, um die EU zu verbessern.

So muss die Idee von Europa gestaltet werden, um die Herausforderung dieser Zeit zu bestehen, sozial und ökologisch als Gewerkschaft der Europäer*innen und zugleich als Verteidigerin der universellen und unveräußerlichen Menschenrechte als Anwältin gegen Antidemokrat*innen auf der ganzen Welt.

Also, ja zu Europa! Ja zu einer föderalen, europäischen Republik! Ja zur Verbrüderung der Länder und ja zum Europäischen Traum!

 

Verwandte Artikel