Kolumne – Dezember 2017
Nur die Reden vor dem chinesischen Volkskongress dauern manchmal länger. Über zwei Stunden mussten sich die Bürger gedulden, bis sie zu Wort kamen: zwei Stunden Monolog mit 148 Folien, gefolgt vom Grußwort des stellvertretenden Landrats und dem Polizeibericht. Laut Gemeindeordnung dient die Bürgerversammlung der Erörterung gemeindlicher Themen, also der Diskussion und Aussprache. Hier den Schwerpunkt zu setzen, ist eine Wertschätzung der Bürger und ihrer Zeit. Viele Bürger verließen die Aula noch bevor der Bürgermeister seinen Bericht beendet hatte.
Die Finanzen werden zum dominierenden Thema. Die Einnahmen brechen weg; die Gewerbesteuer war 2015 noch 40% höher. Und bei den Ausgaben hat man die Weichen nicht rechtzeitig gestellt. Die Misere drückt sich darin aus, dass Projekte wie das Bürgerhaus – bisher mit viel Tamtam begleitet – nun unter dem Vorbehalt der Finanzierung stehen. Der Schuldenstand ist in zwei Jahren von 7 auf 17 Mio. Euro gestiegen. Gleichzeitig sind in diesem Zeitraum die Rücklagen von gut fünfzehn auf jetzt vier Millionen zusammengeschmolzen. Dabei schlagen die dicksten Brocken (Schulen, Kinderhaus, Rathaus etc.) finanziell erst in den kommenden Jahren durch.
Bis 2021 werden, wie schon in den letzten beiden Jahren, pro Jahr zehn Millionen Euro und mehr fehlen und die Schulden erhöhen. Der Christbaum brennt!
Wir Grüne bremsen schon lange, konnten uns aber nicht durchsetzen. Vor allem weil man sich mit der Hand auf dem Geldbeutel selten Freunde macht. Mit dem Füllhorn regiert es sich leicht. Kirchheim ist aber weder Grünwald noch Unterföhring. Wunschkonzert war gestern. Mit dem Kauf der „historischen“ ehemaligen Tafernwirtschaft an der Feldkirchener Straße für 1,3 Mio. nahm man den Eigentümern Ihre Verkaufssorgen. Für die Sanierung kommen 5 Mio. hinzu. Ebenso freuen durften sich die Verkäufer des Ackers an der Erdinger Straße, denen der Bürgermeister zwei Drittel ihres Landes mittels zweifelhafter Angaben zu Bauerwartungsland machte (macht 4,5 Mio.). Ein weiteres Grundstück im Außenbereich folgte (1,4 Mio.). Jetzt ist Schluss mit dicker Hose. Der Bürgersaal am neuen Rathaus blickt einer ungewissen Zukunft entgegen. Das bedauern wir außerordentlich, denn er ist an diesem zentralen öffentlichen Platz ein wesentlicher Teil der Gesamtanlage.
Derweil nimmt sich der Bürgermeister nach dem Baumlehrpfad die nächsten Projekte vor: „Im kommenden Jahr werden wir uns mit den Kindergärten um Streuobstwiesen kümmern und Saft pressen“. Außerdem feiern wir mit einem großen Volksfest im Juli den Zusammenschluss von Kirchheim und Heimstetten vor 40 Jahren. Alles im Griff auf dem sinkendem Schiff. Freuen Sie sich auf Straßenausbaubeitragssatzung und Verkehrsüberwachung, ab Januar „mit zahlreichen Blitzer-Aktionen“.
Politisch Interessierte schütteln über den Master of Disaster, dem die Prioritäten verrutscht sind, den Kopf. Vielen wird aber bei Streuobst und Saft ganz warm ums Herz. Die Wiederwahl ist gesichert.
Es ist eine verrückte Zeit, in der wir sichtlich mehr tun, als sie mit scharfer Feder zu begleiten. Die Kirchheimer Grünen haben dieses Jahr einiges bewegt und bewirkt.
Bahnbrechend ist das Ergebnis unserer Verwaltungsgerichtsklage. CSU und SPD predigten Transparenz und sanktionierten dennoch die Veröffentlichung einer nicht-öffentlichen Abstimmung. Sie hatten die Wahl, sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden, denn auch das Landratsamt beschrieb die Angelegenheit als strittig. Gemeinderat und Landratsamt irrten gemeinsam. Das Verwaltungsgericht kassierte die Ordnungsgeldstrafe, die mit 500 Euro außerdem ohne Maß war.
Abstimmungen dauerhaft – auch nach Veröffentlichung des Beschlusses selbst – geheim zu halten, heißt nichts anderes, als die Verantwortung des Mandatsträgers für sein Abstimmungsverhalten zu verneinen. Zum Beispiel bei der Verleihung einer Ehrenbezeichnung. Können Sie sich vorstellen, jemanden über ein Vierteljahrhundert nach dessen Abschied aus dem Amt, noch mit der Ehrenbezeichnung „Altbürgermeister“ zu ehren? Auch wenn die Online-Recherche Überschriften mit den Worten „Augiasstall“, „Selbstbedienungsladen“, „falscher Doktor“, „getürkte Geschäftsflüge“, „widerrufener Ehrensold“, „Staatskanzlei lädt aus“ und schließlich „vorbestraft“ bringt? Ich nicht. Und ich möchte mich von einer möglicherweise gegensätzlichen Mehrheitsmeinung öffentlich distanzieren können.
Die Informationsfreiheitssatzung können wir uns ebenfalls ans Revers heften. Sie kommt möglicherweise noch im Januar. Auch beim Glyphosatverbot auf verpachteten gemeindlichen Flächen ließen wir nicht locker und setzten es durch. Das
ist Politik für die Umwelt, nicht Umweltpolitik als Happening für die Kirchheimer Mitteilungen. Wir haben allen Grund, Silvester zufrieden auf das zurückliegende Jahr anzustoßen, bevor wir 2018 willkommen heißen.
Wir hoffen, dass es Ihnen persönlich ebenso geht und wünschen Ihnen ein frohes Fest und ein gutes erfolgreiches neues Jahr!
Rüdiger Zwarg mit dem Ortsverband der Kirchheimer Grünen
kirchheim [at] gruene-ov [dot] de (Kontakt)
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