Monopoly: Die Herrn der Schlossallee verlangen viel zu viel…

Vor zwei Wochen waren in meiner Kolumne Missverständnisse und Menschen, die das Missverständnis suchen, das Thema. Zwei Seiten weiter vorne lieferte diesbezüglich unser Bürgermeister wieder ein Meisterstück ab. In über 170 Sitzungen habe er die Investoren bearbeitet, um ihnen 135,45 Millionen für das Gemeinwohl abzuluchsen. Trommelwirbel, Tusch, Applaus.

Wenn meine Schwiegermutter uns zum Essen einladen will, steckt sie mir dezent 200 Euro zu und sagt: „Machst du das dann bitte?“ Ich käme nicht im Traum darauf zu behaupten, ich hätte das Essen bezahlt. Haben die Investoren vorab etwas bekommen, von dem sie die 135 Mio. Euro zahlen?

So ist es – 68,8 Mio., um genau zu sein. Nach §1 des Eckpunktepapiers zum städtebaulichen Vertrag bekommen die Bauträger alle Wohnbaugrundstücke. Bei Monopoly hieße das: Schlossallee und Parkstraße auf lau. Die Gemeinde begnügt sich mit den Flächen für Ortspark und öffentliche Bauten. Alles durchgerechnet bleiben uns die Investoren unterm Strich dreißig Millionen schuldig. Der Bürgermeister verkündet das Ergebnis als frohe Botschaft und traut sich sogar, das Konvolut zu veröffentlichen. Aber er hatte auch keine Wahl. Wir hätten andernfalls schon für Transparenz gesorgt. (Die Herleitung der 30 Mio. weiter unten).

Die Bauträger haben also ihre Geschenke schon bekommen. Ich hoffe, dass der Weihnachtsmann bei Ihnen ebenso großzügig ist. Fraglich aber, ob er dann noch durch den Kamin passt.

Die Adventszeit nähert sich ihrem Ende. Ich wünsche Ihnen im Namen des ganzen Ortsverbandes eine Frohe Weihnacht und alles erdenklich Gute für 2020! Treiben Sie es zur Jahreswende mit dem Feuerwerk im Interesse einer geringeren Feinstaubbelastung nicht zu dolle. Maßhalten muss nicht nur ein Vorsatz für die Zukunft sein. Schabowskis unvergessene Worte, die 1989 Großes einleiteten: „sofort…unverzüglich“.

Unverzüglich müssen wir dann auch mit dem Wahlkampf loslegen. Sprechen Sie und diskutieren Sie mit uns. Seien Sie kritisch, seien Sie anspruchsvoll. Kirchheim braucht mehr Grün!


Die Herleitung der fehlenden 30 Millionen:

Die Systematik ist überhaupt nicht kompliziert.

  1. Mit welchem Anfangswert gehen die Flächen in die Rechnung ein?
    Antwort: 75 Millionen
  2. Welchen Endwert haben die Grundstücke ohne Belastung? – Frage nach dem Bruttowert
    Antwort: 345,2 Millionen
  3. Wie hoch sind die Belastungen? – Frage nach der Differenz zum Netto
    Antwort: 135,4 Millionen

Daraus errechnet sich der Nettowert der Grundstücke nach Abzug der Belastungen
Nettowert der Grundstücke: 209,8 Millionen

Für den Nettogewinn muss der Anfangswert abgezogen werden
Nettogewinn: 134,7 Millionen

Die Gemeinde als Miteigentümer kann den ihr zustehenden Gewinn (32,3% davon – oder: 43,1 Mio.) nicht realisieren, weil sich ihr Besitz nach dem Eckpunktepapier auf die öffentlichen Geschossflächen und den nichtursächlichen Anteil am Park beschränkt. Die Bewertung dieser beiden Posten liegt bei nur 42,6 Millionen. Zieht man den anteiligen Anfangswert (25 Mio.) und die anteiligen Abtretungen (5,4 Mio. der Gemeinde als Miteigentümer an die Gemeinde als Körperschaft) ab, verbleiben 13 Millionen. Das sind 30 Millionen zu wenig.

Von 30 Millionen Euro könnten wir Rathaus und Bürgersaal bauen! Oder alternativ: Wie viele Jahre könnten wir dafür ein Schwimmbad betreiben?

Die gute Nachricht ist, dass der Schaden erst eintritt, wenn der Bebauungsplan per Satzungsbeschluss in Kraft tritt. Wir gehen davon aus, dass der Gemeinderat dem Satzungsbeschluss die Zustimmung verweigert, bis eine vernünftige Einigung über die Aufteilung des Gewinns erreicht ist. Für die kuschelige Zweisamkeit von CSU und SPD in Kirchheim ist das natürlich eine Belastungsprobe.

 

Übrigens:

In der Süddeutschen Zeitung erschien am 19.12. der Artikel „Böltls schärfster Kritiker will Bürgermeister werden“. Darin wird der Bürgermeister zu der Übervorteilung von 30 Millionen Euro folgendermaßen zitiert:

Bürgermeister Böltl widerspricht den Vorwürfen vehement. Das Rathaus habe Zwargs Berechnungen überprüft, erklärt er; es könne seine Systematik nicht nachvollziehen, das Ergebnis sei falsch. „Wir belasten jeden neu entstehenden Quadratmeter an Geschoßfläche mit über 1000 Euro für unsere kommunalen Zwecke“, erklärt Böltl. Vergleichswerte bei Bauvorhaben im Münchner Stadtgebiet würden deutlich darunter liegen.

  1. Das Rathaus (das schließt Herrn Böltl ein) könne die Systematik nicht nachvollziehen.
    Mit diesem Satz hält er sich auch die Option einer 180° Drehung ohne Gesichtsverlust offen. Selbst die steile Behauptung, dass das Ergebnis falsch sei, ist damit gerade noch rückholbar. Freilich bleibt dann die Frage, wie er den städtebaulichen Vertrag durchdrungen haben will, wenn er unsere sehr viel einfachere Darstellung nicht nachvollziehen kann. Dass er andere mit einschließt – er spricht nicht nur von sich sondern von „Das Rathaus …“ –, macht die Sache nicht besser sondern schlechter.
  2. Wir belasten jeden neu entstehenden Quadratmeter an Geschoßfläche mit über 1000 Euro für unsere kommunalen Zwecke.
    Dieses ist richtig. Das sind die auf 128.754 m² verteilten 135,4 Millionen Euro. Ich habe aber gezeigt, dass von diesem Betrag mehr als die Hälfte von der Gemeinde kommt, obwohl ihr Anteil nur bei knapp einem Drittel liegt. Durch den Verzicht auf alles Wohnbauland hat die Gemeinde diesen hälftigen und damit überproportionalen Beitrag geliefert.
  3. Vergleichswerte bei Bauvorhaben im Münchner Stadtgebiet würden deutlich darunter liegen.
    Das Thema ist nicht die Höhe der Belastung sondern die Aufteilung der Belastung zwischen Gemeinde und privaten Bauträgern. Deswegen führen Formulierungen wie „zuwenig abgeschöpft“ in die falsche Richtung. Im Übrigen haben die Zahlen auch in München dieselbe Größenordnung. Warum nennt der Bürgermeister nicht einfach eine Zahl für München?