Kolumne – April 2013
In Unterschleißheim und Ottobrunn fanden im März Bürgermeisterwahlen statt. Beide Male lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Für Ottobrunns alten und neuen Bürgermeister Loderer waren die 46,7% in seiner Gemeinde Anlass für die Frage, ob sich die Mehrheit wirklich nicht für Kommunalpolitik interessiert. Und: Werden sich bei der nächsten Wahl genügend geeignete Kandidaten für die Mitarbeit im obersten Entscheidungs- und Selbstverwaltungsorgan der Gemeinde finden lassen?
Was ist passiert und wie kann es wieder besser werden? Zum einen ist aus vielerlei Gründen Teilnahme/Teilhabe immer weniger ein Thema. Eine erhöhte Mobilität oder die Verdichtung des täglichen Lebens – das alles mag zum Rückzug ins Private beitragen. Doch ist damit das scheinbare Desinteresse völlig erklärt? Politik muss mehr Handlungsoptionen bieten als die Kreuzchen am Wahlsonntag, um interessanter zu werden. Was Willi Brandt im Oktober 1969 in seiner Regierungserklärung als Reaktion auf die Unruhen und Demonstrationen sagte, kann man fast unverändert auf die heutige Politikmüdigkeit beziehen: „Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir werden unsere Arbeitsweise öffnen und dem kritischen Bedürfnis nach Information Genüge tun. Wir werden darauf hinwirken, dass … durch eine umfassende Unterrichtung über die Regierungspolitik jeder Bürger die Möglichkeit erhält, an der Reform von Staat und Gesellschaft mitzuwirken … Mitbestimmung, Mitverantwortung in den verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft wird eine bewegende Kraft der kommenden Jahre sein … Diese Regierung sucht das Gespräch.“
Das ist fast 45 Jahre her und doch jetzt (wieder) so aktuell wie damals. Allerdings ist heute die „umfassende Unterrichtung“ und die Ermöglichung der Mitwirkung ungleich einfacher und schneller umzusetzen. Die überparteiliche Website zukunft-kirchheim.de macht es Ihnen leicht, sich zu informieren und sich einzubringen – per Umfrage, per Abstimmung oder Online-Diskussion. Doch wollen wir Sie nicht nur nach Ihrer Meinung fragen, sondern auch Antworten liefern und in einer Wissensdatenbank zusammenstellen: seien es Fragen zur Finanzierung und zum Betrieb der Geothermie oder Fragen zu KiTas und Kindergärten.
Vielleicht schauen Sie einen Polit-Talk oder eine Nachrichtensendung weniger an und verbringen stattdessen alle zwei Wochen 10 Minuten auf zukunft-kirchheim.de, um zum Beispiel an einer Umfrage teilzunehmen, sich allgemein zu Wort zu melden und/oder Sitzungsprotokolle einzusehen. Denn noch sind Sie vermutlich besser über die Bundes- als über die Kommunalpolitik informiert. Und das, obwohl die Auswirkungen auf Ihren Alltag viel unmittelbarer sind.
In der aktuellen Umfrage geht es um Erker, Gauben und Wintergärten. Wenn Sie diese Zeilen lesen, wird der Gemeinderat am Montag bereits darüber entschieden haben, ob den Bürgern im Lindenviertel per Bebauungsplanänderung Gelegenheit gegeben wird, ihr Zuhause unkompliziert neuen Lebensumständen anzupassen. Oder ob Ihnen dieses verwehrt wird, damit Bürgermeister und Verwaltung keine Albträume wegen eines durchgehend zinnenartigen Erscheinungsbildes haben, „welches eine bedrückende Wirkung erzeugt und gestalterisch als sehr bedenklich einzustufen ist.“ (So steht es im Sachvortrag.)
Das Bauamt hat seit den Verdichtungen am Gymnasium das Recht auf besondere Berücksichtigung seiner Bedenken verwirkt. Weil es der Gemeinde über die Jahre nicht gelungen ist, Grundstücke für Erweiterungen zu sichern, wurden angesichts der steigenden Schülerzahlen gestalterische und städtebauliche Überlegungen hintangestellt. Den Bürgern sagt man jedoch: „Euer Problem!“ So geht das nicht.
Das ist meine Meinung. Und nun Sie – auf zukunft-kirchheim.de
Ihr Rüdiger Zwarg – Bündnis 90/Die Grünen
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