Warum bloß laufen Menschen narzistischen Propagandisten hinterher?

Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. In Kirchheim ist seit 2014 ständig eine besondere Situation. Doch die Maßnahme, dass Grüne und VFW ihre Viertelseiten zusammenlegen, gab es noch nicht. Es ist nachvollziehbar, dass der Bürgermeister in Sachen Eigen-PR Gas gibt. Die scheunentorgroßen Reklameschilder zur Baufeldvorbereitung werden bald ergänzt und begleitet von einer Komposition aus elf kleinen Übersichts- und Infotafeln. Ein großartiger „Informationspfad“ entsteht. Mit Kirchheim 2030 geht es voran –  vor allem virtuell.

Sechs Jahre nachdem er hinausposaunte, dass zur Mitte seiner Amtszeit der erste Spatenstich zum neuen Rathaus erfolgen wird, werden erst die Hinterlassenschaften der Bajuwaren freigelegt. Dass Kirchheimer Schüler in Poing ab diesem Jahr wieder Schwimmen lernen, war auch nichts als heiße Luft. Ende 2022 soll das Schwimmbad nun fertig werden. Und weil dann auch bald das Poinger Gymnasium fertig ist, wird Poing die freien Kapazitäten nicht mit Kirchheimer Schülern füllen müssen. Derweil prankt an der Feldkirchener Straße am maroden Objekt von 1910 seit Neuestem in Fraktur: „Bürgerhaus“. Anfang 2015 sagte Böltl der Süddeutschen Zeitung (und uns), dass die Regierung von Oberbayern für den Umbau Zuschüsse in Aussicht gestellt hätte. Dann fuhr er in seiner bescheidenen Art fort: „Damit kann’s jetzt richtig losgehen!“ Den Begriff „Tafernwirtschaft“ hatten wir bis dahin nicht gehört. Eine eigene Website wurde erstellt. Die Bürger wurden gebeten alte und uralte Fotos beizusteuern. Wann arbeitet der Mann eigentlich? Wann ist bei ihm einmal nicht „Showtime“?

Vor zwei Jahren – zur Halbzeit – brachte die Süddeutsche ein Portrait unter dem Titel „Die PR-Maschine“. Man sähe, was er verändert habe. Es gäbe jetzt ein Logo, eine Corporate-Identity. Böltls Kirchheim sei moosgrün, das „i“ stünde auf dem Kopf und hätte einen roten Punkt. In diesem Look gäbe es einheitliche Pressemappen, Kugelschreiber, Flyer, eine neue Homepage und einen Facebook-Kanal. Dagegen ist nichts zu sagen. Es war nötig. Doch sind Kugelschreiber, ein auf dem Kopf stehendes i und bunte Bilder im Netz nach fünfeinhalb Jahren etwas wenig. Apropos bunte Bilder: Instagram – auch dafür ist Zeit. Unter https://imgwonders.com/a/maximilian_boeltl/ können wir verfolgen, was dem Kirchheimer Posterboy wichtig ist.

Wer ständig nur ankündigt, um sich gleich wieder Neuem zuzuwenden, steht am Ende mit leeren Händen da. Dass es eng wird, scheint nun auch beim Meister der politischen Großartigkeit angekommen zu sein. Potemkinsche Dörfer, wohin man blickt: hier ein Pfad, dort ein Zaun, jede Menge bunte Seiten in den Kirchheimer Mitteilungen, Ausflüge und Rundgänge. Aber nichts Handfestes. Das Kinderhaus, das noch zu Vorgänger Hilgers Zeiten angestoßen wurde, wird kurz vor der Kommunalwahl im Frühjahr eingeweiht werden. Ob das nicht auch früher ginge? Arbeiter waren zuletzt auf der Baustelle eher selten zu sehen, doch das liegt bestimmt an der Ferienzeit.

Kirchheim feiert gern. Fünf Jahre Vorfreude auf die Gartenschau sind aber zuviel des Guten. Den „Infopfad“ zu Kirchheim 2030 jetzt aus der Taufe zu heben, ist Wahlkampf auf Kosten der Gemeinde – ein kleines Feuerwerk zur Wahrung des Scheins. Dazu spielt eine prächtige Begleitmusik in den Kirchheimer Mitteilungen. Doch wer sich ständig nur ins rechte Licht rückt, ist irgendwann von sich selbst geblendet. Irgendwann? Ist schon längst passiert.

Wolfgang Heinz-Fischer (http://vfw-info.de/) (vorstand [at] vfw-info [dot] de)

Rüdiger Zwarg (http://gruene-ov.de) (kirchheim [at] gruene-ov [dot] de)