Justitia schielt!

In Preußen verfügte seine Majestät “Minister der öffentlichen Arbeiten” am 18. Januar 1907 per Erlass, dass bei künftigen Gerichtsbauten die Justitia ohne Augenbinde auszuführen sei. Vor der Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft in München müsste sie zudem noch schielen.

Ich hatte Strafantrag wegen Verleumdung gestellt, nachdem mir Bürgermeister Maximilian Böltl in den Kirchheimer Mitteilungen vorgeworfen hatte, meine Darstellungen im Blatt entsprächen nicht den Tatsachen. Vorher gab ich Herrn Böltl selbstverständlich die Gelegenheit, die angeblichen „Falschdarstellungen“ zu benennen. Herr Oberstaatsanwalt Franck stellte das Verfahren ein. Ob richtig oder falsch, Darstellungen seien einem Beweis nicht zugänglich, führte er aus. Die Aussage von Herrn Böltl sei straffrei weil nicht überprüfbar. Ob damit die Aussage “Im Folgenden finden Sie die Darstellung einer Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt” genauso straffrei wäre,  möchte ich lieber nicht ausprobieren. Es wäre auch inkonsequent, weil ich die Interpretation des Begriffs „Darstellung“ nicht teile.

Sinngemäß (natürlich!!!) fragte ich in meiner Beschwerde an den Generalstaatsanwalt, wie Herr Oberstaatsanwalt Franck sich auf ein so schmales Brett begeben konnte. Schließlich trage §331 HGB den Titel „Unrichtige Darstellung“. Wenn eine Darstellung einem Beweis nicht zugänglich wäre, hätte dieser Paragraf im Handelsgesetzbuch nichts zu suchen.  Der Generalstaatsanwalt beantwortete die Frage „um Wiederholungen zu vermeiden“ nicht, sondern stellte sich in Person der antwortenden Oberstaatsanwältin Kolano gleich neben Herrn Oberstaatsanwalt Franck aufs Brett und schloss sich der Einstellung des Ermittlungsverfahrens an.

Ich stelle den Schriftverkehr ohne Schwärzungen ins Internet.  Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht haben entschieden, dass Staatsanwälte und Staatsanwältinnen wie auch Richter:innen damit leben müssen, aufgrund ihrer Stellung als Organe der Rechtspflege im Blickfeld der Öffentlichkeit zu stehen. Wer seine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen tut, hat ein Recht auf eine angemessene Würdigung.

Ich nehme mir die Freiheit, es diesbezüglich Herrn Rechtsanwalt Dr. Gerhard Strate,  einst einer der Verteidiger von Herrn Mollath,  gleichzutun.  Die Staatsanwaltschaft Hamburg hatte vor Gericht mit ihrem Antrag,  ungeschwärzte Dokumente aus dem Netz entfernen zu lassen, keinen Erfolg (AG Hamburg, Beschluss vom 27.06.2013 http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-AG-Hamburg-2013-06-27.pdf).

Rüdiger Zwarg

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