Kolumne – September 2016
Es gab Zeiten, da war das Verhältnis der Medien zu den Mächtigen angespannt. Die Leser belohnten dies und schenkten ihr Vertrauen. Es war die Zeit von Watergate und Starfighter-Affäre. Die Medien wurden als wichtige Säule der Demokratie angesehen, die vierte Gewalt im Staat, neben der Judikative, Legislative und Exekutive. Rückblickend war das wohl zu euphorisch.
Heute wird eine Geschichte erst durch einen Whistleblower zur Geschichte. Und Nachrichten- und Politiksatire erreichen mehr Menschen als die Nachrichten selbst. Stimmt es, dass Systemkritik nur noch in Satire und Comedy erlaubt ist? Ein Thema für sich. „Infantilisierung der politischen Debatte“ sagen die einen, wichtige Aufrüttler, um sich dann ernsthaft zu informieren, die anderen. Die Zeiten haben sich jedenfalls geändert.
Aber immer noch fängt ein Skandal klein an. Watergate war nur ein kleiner Einbruch, wenngleich mit auffälligen Details. Die „Washington Post“ war mit ihren Anschuldigungen gegen einen überaus beliebten Präsidenten allein auf weiter Flur. Das Weiße Haus stellte beide Post-Reporter als Paranoiker und Verleumder hin. Nur das Fernsehen war von Anfang an mit im Boot. Zeitungsmitarbeiter betrachten die Fernsehberichte von CBS im Nachhinein als „Lebensretter“.
Vor diesem Hintergrund war der Kommentar in der Süddeutschen Zeitung („Endgültig verrannt“) ärgerlich aber nicht entmutigend. Was allerdings schmerzte, war die Nichterwähnung meiner lokalpolitischen Website zukunft – kirchheim.de , wo ich Fakten und Merkwürdigkeiten zum Grundstückskauf an der Erdinger Straße zusammengetragen habe. Auf 175 Zeilen Artikel und Kommentar taucht nirgends ein „Wie Herr Zwarg auf seiner Website zukunft-kirchheim.de schreibt, …“ auf. Ich glaube wegen der Korrespondenz vorab nicht an Zufall. Warum erschwert eine seriöse Zeitung um jeden Preis einen Abgleich von Berichterstattung/Kommentar mit der Quellinformation? Auch in Herrn Krönigers Leserbrief befand sich, wie ich nachträglich erfuhr, ein Bezug auf die Website, der dann fehlte.
Ich laste dem Bürgermeister an, den Kaufpreis für das Grundstück an der Erdinger Straße bewusst zum Schaden der Gemeinde und zugunsten zweier Investoren in die Höhe getrieben zu haben. Schon die Wahl des Gutachters (TÜV Süd Immowert GmbH) war bemerkenswert:
- weder öffentlich bestellt noch beeidigt
- wenig (bis keine?) Erfahrung mit unbebauten Ackerflächen
- möglicherweise Geschäftskontakte zum Verkäufer
- 2015 Ermittlung gegen Mitarbeiter wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen
Betrug (Gefälligkeitsgutachten)
Im ersten Beschlussvorschlag sollten 4,8 Millionen genehmigt werden. Erst nach einem Fingerzeig von mir wurden Erschließungskosten und Kosten für Ausgleichsmaßnahmen abgezogen. Der Gutachter hatte diesen Posten „auftragsgemäß“ nicht eingerechnet, gleichzeitig aber darauf hingewiesen. Ebenso hatte er Risiken aus dem bestehenden Bodendenkmal erwähnt („Siedlung der Urnenfelderzeit und Körpergräber der mittleren Latènezeit“) und empfohlen, sich gegenMehrkosten vertraglich abzusichern oder aber für den Fall einer Unwirtschaftlichkeit der Baulandentwicklung ein Widerrufsrecht zu vereinbaren. Keines von beiden geschah. Die Gemeinde hat das volle Risiko übernommen ohne dafür einen Risikoabschlag vorzunehmen.
Der Gutachter war ferner vom Bürgermeister nicht auf einen Beschluss des Gemeinderats hingewiesen worden, die Gemeinde „von Innen nach Außen“ zu entwickeln, ohne neue Wohnbaugebiete außerhalb des Planungsgebietes der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme auszuweisen. Im Einzelfall sind Ortsabrundungen „nicht ausgeschlossen“, sofern sie städtebaulich sinnvoll und benötigt würden. Letzteres ist auf absehbare Zeit (>10J.) nicht der Fall. Doch davon abgesehen ist es schon deswegen keine Abrundung, weil die Fläche nicht unmittelbar an Bebauung angrenzt. Außerdem hatte im Dezember 2014 das Bauamt geschrieben: „Die Bestandsbebauung an der Teutonenstraße bildet einen abgestimmten Ortsrand.“ Ob der Acker die Qualitätsstufe Bauerwartungsland hat, ist fraglich. Als Acker wäre die Fläche weniger als ein Zehntel wert. Bei einer Wartezeit bis zur Baureife von 20 statt illusorischer 10 Jahre hätte die Gemeinde 800.000 weniger ansetzen müssen. Überzahlen darf die Gemeinde nicht. Ich soll ein Verschwörungstheoretiker sein und mich endgültig verrannt haben? Reichen diese Fakten nicht? Reichen sie nicht wenigstens, um genauer hinzusehen?
Der Staatsanwalt meint: Nein. Zum Staatsanwalt, Herrn Krapf, gibt es auch einiges zu sagen. Sie können es unter „Spotlight – Facetten eines Skandals“ bei zukunft-kirchheim.de nachlesen. Wie es überhaupt noch Facetten gibt, die hier mangels Platz nicht auftauchen: z.B. der Strohmann als Kaufinteressent. Am 28.9. trifft sich der Ortsverband und Sie sind herzlich eingeladen (Ankündigung folgt). Wir wollen auch über den Kampf gegen Korruption diskutieren. Als Einstieg: Das gekaufte Sommermärchen – wen interessiert das noch?
Wir freuen uns auf Sie!
Ihr unerschrockener Rüdiger Zwarg – Bündnis 90/Die Grünen
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