Seit Mitte letzten Jahres muss sich Angela Merkel dreimal im Jahr persönlich den Fragen der Abgeordneten stellen. Sie hat dabei keinerlei Kenntnis, höchstens eine Ahnung davon, was auf sie zukommt. Um die parlamentarische Debattenkultur zu beleben, hatten die Grünen und die Linke schon lange eine Reform der Regierungsbefragung für notwendig erachtet. Die Union hatte sich aber stets dagegen gewehrt.
In Kirchheim macht der Bürgermeister nun eine Rolle rückwärts. Stets war die Reihenfolge der ersten Tagesordnungspunkte einer Gemeinderatssitzung dieselbe:
Fragen der Bürger (kein Tagesordnungspunkt)
1 Mitteilungen aus der Verwaltung
1.1. Eingegangene Anträge
1.2. Antworten zu Anfragen
1.3. Sonstiges
2 Anfragen aus dem Gremium
3 Bekanntgabe nicht-öffentlich gefasster Beschlüsse
Auf die hier aufgelisteten Tagesordnungspunkte müssen die Bürger jetzt bis zum Ende der Sitzung warten. Danach kommt nur noch „Genehmigung der Niederschriften“. Nach meiner Erinnerung lautete die Begründung des Bürgermeister: „Aus dem Gremium sei der Wunsch gekommen, am Anfang vor der Behandlung wichtigerer Themen wenig Zeit zu verschwenden.“
Vor allem – das ist der wahre Grund – mag es der Bürgermeister gerne orchestriert und sorgfältig arrangiert: die Sitzungen, die Bilder in den Kirchheimer Mitteilungen und die Verlautbarungen, in denen er vorzugsweise in der dritten Person zitiert wird. Unbequeme Anfragen stören die Inszenierung. Ob so die Wiederwahl gelingt? Übers Ziel hinaus ist auch daneben.
Bürgerinnen und Bürger haben mit dem neuen Ablauf jedenfalls noch weniger Grund, die Gemeinderatssitzungen zu besuchen.
Mitmachgemeinde? Es darf gelacht werden.
Rüdiger Zwarg
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