Sechs Jahre Ayinger Grüne im Gemeinderat

Ein persönliches Resümee

Der Abend der Kommunalwahl im März 2014 stand unter völlig anderen Vorzeichen als 2020: erstmals gab es eine Grüne Liste und berechtigte Hoffnungen, wenigstens einen Sitz im Gemeinderat zu erringen. Am Ende wurden es sogar zwei und 13,9% der Gesamtstimmen. Eine kleine Sensation für die damals nicht erfolgsverwöhnten Grünen, vor allem aber für Andreas und mich.  Speziell meine Dürrnhaarer Unterstützer*innen hatten daran einen großen Beitrag.

Ab sofort hieß es für mich: Dürrnhaarer Themen zwar immer im Blick zu behalten, aber für alle anderen Gemeindeteile ebenso eine zuverlässige Vertreterin zu sein. Jetzt, sechs Jahre später gestehe ich, dass ich – wie vermutlich die meisten neuen Gemeinderatsmitglieder – schon ein wenig naiv an die Sache herangegangen war. Mich überraschte die Fülle der Themen und Anforderungen und es beeindruckte mich anfangs auch sehr, wie routiniert die langjährigeren Vertreter*innen eine Gemeinderatssitzung abarbeiteten. Andreas und ich versuchten einigermaßen mitzuhalten, berieten uns mit Grünen Kolleg*innen aus anderen Gemeinden, holten uns Hilfe am Bauamt, löcherten manchmal auch den Bürgermeister oder riefen befreundete Anwälte zu Hilfe. Insbesondere das Baurecht machte mir Sorgen, denn ich verstand reichlich wenig von dem, was zu einzelnen Anträgen alles gesagt wurde, kannte keine einschlägigen Paragraphen oder Fachausdrücke.

Andererseits wollte ich genau diese Dinge endlich besser verstehen und nach einer wirklich intensiven Einarbeitungszeit (mittels Schulungen, Rückfragen im Grünen Netzwerk und einschlägiger Literatur) ähnelten sich dann zum Glück die Vorgänge immer häufiger.

Nichts desto Trotz haben wir, Andreas und ich, bis heute nicht aufgehört, Fragen zu stellen. Sei es im Vorfeld oder während der öffentlichen Sitzung. Und wir haben auch den Bürger*innen die Möglichkeit eröffnet, zu Beginn jeder Sitzung Anfragen an den Gemeinderat und den Bürgermeister zu stellen.

Einige der behandelten Themen, Anträge und Projekte haben aus meiner Sicht die letzte Legislaturperiode geprägt, weshalb ich an dieser Stelle kurz noch einmal darauf zurückkommen möchte:

  • die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans (FNP). Es war das umfassendste Projekt der letzten sechs Jahre und hat auch fast genau so lange gedauert, bis der FNP dann im Herbst 2019 endlich rechtskräftig wurde. Bei keiner anderen Diskussion im Gemeinderat wurde mir so deutlich, wie die Zusammenhänge im gesamten Gemeindegebiet sind, was es bedeutet, dass sich Baugebiete aus einem FNP heraus entwickeln müssen, welche zukunftsweisenden Grundlagen die Gemeinde mit so einem FNP schafft. Einen FNP aufzustellen bedeutet, jedes künftige Baugebiet, jede Gewerbeentwicklung, sogar jede Ortsabrundung immer auch im Zusammenhang mit den Konsequenzen für Verkehr, Kinderbetreuung, Freizeitangebote, Spielplätze etc. zu beurteilen. Kurz: ein neuer FNP hält fest, wie sich unsere Gemeinde in den kommenden Jahren und Jahrzehnten aus Sicht des Gemeinderates entwickeln soll und bietet er eine Richtschnur für gute und ausgewogene Entscheidungen in der Zukunft.
  • Das Baugebiet an der Gruber Straße zur Umsetzung eines Pilotprojektes für autarke Versorgung mit Strom und Wärme durch Sonnenenergie und Wasserstoff. Dazu die Möglichkeit für einen ortsansässigen Bürger, Teile seiner Firma dorthin zu verlegen und neue Wohnungen zu bauen. Am Ende ist alles an einem Bürgerbegehren und dem daraus resultierenden Bürgerentscheid gescheitert. Aus meiner Sicht war dies jedoch nicht in erster Linie ein Beispiel für inhaltlich schlechte Arbeit des Gemeinderates, sondern für schlechte und zu späte Kommunikation mit den Bürger*innen. So sehr ich einerseits bedaure, dass wir diesem Forschungsprojekt keine Chance geben konnten, ich habe dennoch viel aus diesem ganzen Verfahren und dem letztlichen Sieg der Bürger*innen mitgenommen. Wir müssen Dinge mit großer Reichweite gemeinsam angehen, auf betroffene Anwohner*innen aktiv zugehen, sie einbinden und befragen und mit ihnen nach Lösungen suchen. Möglicherweise wäre dann das Ergebnis ein anderes gewesen und selbst, wenn nicht, dann hätten wir vielleicht zumindest verhindert, dass die Beteiligten so viel Arbeit, Zeit und Geld sinnlos investiert hätten.
  • Die Situation mangelnder Kinderbetreuungsplätze und unser Umgang damit. Nur wenige Dinge haben in den letzten Jahren die Eltern unserer Gemeinde so aufgebracht, wie die Vergabe von Betreuungsplätzen 2019. Mit Recht, kann ich da nur sagen. Zwar stimmt es, dass auch die Gemeinde etwas überrollt wurde von der Menge an Anmeldungen, einer gleichzeitigen personellen Fluktuation und dem Nicht-Vorhandensein eines transparenten, nachvollziehbaren Vergabevorgangs, da bis einschließlich 2018 immer alle angemeldeten Kinder auch einen Platz bekommen haben. Das Resultat aus sehr emotionalen, zum Teil auch überreizten Diskussionen, in welchen sich Eltern immer wieder nur vertröstet und sich alle Beteiligten gegenseitig nicht verstanden fühlten, war die Einführung eines Online-Buchungssystems namens „Early Bird“. Seit 1. April 2020 ist es verfügbar und an dieser Stelle schlage ich den Bogen zum neuen Gemeinderat. Dieses Buchungssystem kann für mehr Nachvollziehbarkeit in der Vergabe sorgen, ein Allheilmittel zur Beschaffung von ausreichend Plätzen ist es nicht. Wir werden uns noch mehrere Jahre damit beschäftigen müssen, wie Eltern wieder Planungssicherheit bekommen und auf ein zuverlässiges Betreuungsangebot bauen können.

Ich bin mir sicher, auch in der kommenden Legislaturperiode werden uns spannende, kritische, aufwühlende und folgenreiche Themen nicht ausgehen und deshalb bin ich sehr froh, dass auch 2020 wieder einige neue Gemeinderatsmitglieder, davon zwei Grüne, gewählt wurden.

Neue Mitglieder bedeuten nämlich auch neue Ideen, neue Fragen und an mancher Stelle das aus meiner Sicht ganz wichtige „Nicht-Wissen“. Nur dann werden nämlich Dinge immer wieder hinterfragt und das ist gut so. Dadurch wird verhindert, dass sich ein Gemeinderat zu lange auf althergebrachten Vorgehensweisen ausruht und am Ende niemand mehr nachvollziehen kann, warum Entscheidungen wie getroffen werden. Und auch ich werde keine Hemmungen haben, lieber einmal öfter als einmal zu wenig nachzuhaken. Genau dafür wurden wir nämlich gewählt J.

 

Dürrnhaar, 30. April 2020 Christine Squarra