Stellungnahme: Seehofers Masterplan und sein Verständnis von Integration

Lange hat es gedauert, bis das Geheimnis um Seehofers Masterplan für Migration gelüftet wurde und wir Ayinger Grüne haben uns gefragt, welche für uns relevanten Punkte er wohl enthalten wird. Nun wissen wir es: ein ganzes Kapitel und 9 von 63 Maßnahmen beziehen sich auf den so wichtigen Punkt der Integration bei uns vor Ort. Doch wer meint, der Innenminister kehrt damit dem ihm so lieb gewordenen, ausgrenzenden Duktus den Rücken, der irrt.

Unter Integration versteht Seehofer vor allem die Pflicht zum Besuch von sogenannten Integrations- und Wertevermittlungs-Kursen. In diesem Zusammenhang lauten die neuen Maßnahmen: „Qualitätssteigerung der Kurse“, „Verschärfung der Anwesenheitspflicht“, „Sanktionen bei Verstößen gegen die Anwesenheitspflicht“, „Verschärfung der Pflicht zur Vorlage ärztlicher Atteste bei Fernbleiben“, „Kontrolldichte erhöhen“ und „Effektivierung des Sanktionsregimes“. Die wenigen Punkte, die tatsächlich etwas mit Integration zu tun haben, existieren bereits, sie sollen nur genauer überprüft werden.

Echte Integration findet sich im Masterplan in keiner Zeile wieder. Hingegen wird sie in den vielen Helferkreisen, auch bei uns in Aying, großgeschrieben und findet schon längst statt. Dafür hätten wir dieses Papier nicht benötigt. 

Es geht nicht darum, wie so manche rechten Hetzer den helfenden Männern und Frauen vorhalten, „alle aufzunehmen“, „lauter Verbrecher*innen ins Land zu lassen“, „das Land durch unkontrollierte Einreisen ins Chaos zu stürzen“, oder sogar „Handlanger von Schleppern zu werden“. All das will niemand und darum geht es auch nicht. Es geht darum, dass Menschen andere Menschen zunächst einmal menschenwürdig behandeln und nicht aufgrund der Vergehen einiger weniger allen anderen ihren Hass und ihre Wut überstülpen. Es geht um Hilfsbereitschaft und um einen fairen, freundlichen Umgang miteinander, auch dann, wenn jemand kein Bleiberecht in Deutschland erhält. Männer, Frauen, Kinder sind noch lange keine „Sozialschmarotzer“ oder „Asyltouristen“, nur weil sie statt vor Krieg aus wirtschaftlicher Not geflohen sind.

Doch genau diese kollektive abwertende und sogar kriminalisierende Einstellung gegenüber all denjenigen, die zu uns kommen, wird momentan geschürt. Häufig genau von denjenigen, die noch nie selber jemanden mit Fluchthintergrund kennengelernt haben, die noch kein Flüchtlingsheim jemals betreten haben und die noch nie versucht haben, die Fluchtgeschichten der Betroffenen im persönlichen Gespräch zu erfahren.

Bei uns in Aying haben das zum Glück schon viele Bürger*innen getan: sie haben sich engagiert für diejenigen, die mit winzigen Schiffen eine Woche über das Mittelmeer gefahren sind, die ihr ganzes Geld irgendwelchen dubiosen Schleusern gegeben haben, nur weil sie die einzigen in der Familie waren, die überhaupt die Kraft zur Flucht hatten oder die ihren ganzen Besitz im syrischen Bombenhagel verloren haben. Viele der ca. 50 Menschen, die im November 2015 zu uns gekommen sind, haben sich inzwischen gut eingelebt, sie gehen zur Schule, sie haben eine Arbeit oder machen eine Ausbildung. Die Kinder sprechen beim Spielen untereinander mittlerweile fließend deutsch und auch die meisten Erwachsenen machen große Fortschritte. 

Wie viel besser würde es ihnen jedoch gehen, wenn sie nicht erleben müssten, dass unser Staat sie am liebsten alle loswerden würde? Insbesondere die Familien aus Afghanistan haben seit knapp drei Jahren meist nur eine Duldung, eigene Integrationsbemühungen werden, nach jetzigem Stand, nicht berücksichtigt, wenn die Regierung mal wieder der Meinung ist, Afghanistan ist sicher genug, um dorthin zurückzugehen. Waren es zunächst nur diejenigen, die sich eines Verbrechens schuldig gemacht hatten (wozu übrigens auch kleinere Delikte zählten), so kann heute niemand ohne festen Aufenthaltsstatus mehr vor Abschiebung sicher sein. 

Es ist das Eine, dafür zu sorgen, dass nur noch Menschen zu uns kommen dürfen, die sich registrieren, die auch wirklich ein Anrecht auf Asyl oder einen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben. Für diese Menschen muss es zügige Verfahren geben, so dass sie auch schnell Klarheit über ihre Situation haben. Doch es ist etwas Anderes, rückwirkend die gleiche Härte gegenüber denjenigen zu zeigen, die schon seit Jahren hier sind, die versucht haben, sich hier einzuleben, deren Kinder hier in die Kindergärten und Schulen gehen und die teilweise auch ihren Lebensunterhalt selber verdienen. Diese Vorgehensweise tritt die Arbeit unserer Helferkreis mit Füßen, sie bestraft die Geflüchteten doppelt und sie lässt jede Menschlichkeit bei den verantwortlichen Politiker*innen vermissen.

Als Ayinger Grüne ist unsere Haltung deshalb klar und wir stehen ganz auf der Seite der Grünen Bundespartei:

https://www.gruene.de/ueber-uns/2018/recht-auf-asyl-schuetzen-migration-steuern-zusammenleben-gestalten-europa-retten.html 

https://www.gruene-bundestag.de/integration-fluechtlingspolitik/horst-seehofers-chaos-plan-10-07-2018.html 

(Update Juli 2019: Die oben stehenden Verlinkungen auf die Seite der Bundesgrünen sind inzwischen nicht mehr aktuell. An unserer Haltung ändert dies nichts.)

 

 

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Schlagwörter: Asylpolitik Integration Masterplan Seehofer


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