Ein neues Baugebiet wird erschlossen, ein Windrad gebaut, eine Baumaßnahme im Außenbereich genehmigt – in all diesen Fällen ist seit 2010 als „Natur-Ersatz“ eine sogenannte Ausgleichfläche verbindlich vorgeschrieben.
Was sinnvoll klingt und einen ökologischen Vorteil verspricht, ist in der Realität jedoch häufig ganz anders. Es gibt Ausgleichsflächen, die erfreuen die Herzen von Naturliebhaber*innen schon beim bloßen Anblick, während andere mangels Pflege verkümmern oder sogar zwischenzeitlich als Parkplatz zweckentfremdet wurden. Weil es an Kontrollen und an wirkungsvollen Konsequenzen für die Verantwortlichen mangelt, sind die Negativbeispiele leider keine Seltenheit.
Was also bedeutet der Begriff „Ausgleichsfläche“ genau, wo finden wir im eigenen Gemeindegebiet solche Flächen, welche Anforderungen sind daran geknüpft und wie könnten diese auch eingehalten werden?
Begriffserklärung von „Ausgleichsfläche“:
Begrifflich ist eine Ausgleichsfläche eine naturschutzrechtliche Kompensationsfläche für eine Baumaßnahme im Außenbereich.
Die übergeordneten rechtlichen Grundlagen bilden die §§ 14 und 15 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG in der Fassung von 2010) sowie die §§ 1a und 35 des Baugesetzbuches (BauGB). Details regeln die Naturschutzgesetze der Länder. Die Grundidee ist dabei die eines „Verschlechterungsverbotes“. Das bedeutet, dass die Natur in ihrem Gesamtzustand durch einen Eingriff nicht verschlechtert werden darf, wobei Vorrang immer der Nicht-Eingriff in die Natur hat. Kann ein Eingriff in die Natur nicht vermieden werden, muss dies durch die Schaffung von Ausgleichsflächen kompensiert werden.
Klassische Eingriffe, die mit Ausgleichsflächen kompensiert werden müssen, sind:
- Straßen- und Radwegebau
- Anlagen zur Energieerzeugung
- Neue Gewerbe- oder Wohngebiete in Ortsrandlagen
- Privilegierte Vorhaben (Landwirtschaft) im Außenbereich
Bauvorhaben im Innenbereich von Dörfern und Städten rufen keinen Bedarf an Ausgleichsflächen hervor.
Eigenschaften einer Ausgleichsfläche:
Wird nun beispielsweise eine landwirtschaftliche Fläche für ein neues Bauvorhaben verwendet, dann reicht es nicht, irgendwo an anderer Stelle eine neue landwirtschaftliche Fläche auszuweisen, denn eine Ausgleichsfläche muss unter ökologischen Gesichtspunkten höherwertig sein, als die dafür entnommene Fläche.
Allgemein gilt, dass eine Ausgleichsfläche
- spätestens zum Zeitpunkt der Bauleitplanung zur Verfügung stehen muss.
- nicht unmittelbar dort ausgewiesen werden muss, wo das zu kompensierende Vorhaben entsteht.
Manchmal sind passende Ausgleichsflächen im Gemeindegebiet schon vorhanden, meist müssen solche ökologisch wertvollen Flächen jedoch erst angelegt werden. Als Ausgleichsfläche eignet sich ein Areal dann, wenn folgende Maßnahmen bei ihnen ergriffen werden:
- Anlegen einer Streuobstwiese
- Anlegen einer Magerwiese – reduzierter Schnitt der Fläche auf max. einmal pro Jahr
- Anlegen eines Gehölzstreifens
- Entsiegeln einer Fläche
Was genau an einer Ausgleichsfläche vorgenommen werden muss, ist immer individuell geregelt und es sind viele verschiedene Maßnahmen denkbar.
Bewertung einer Ausgleichsfläche:
Welchen Wert hat nun einerseits die Fläche, die bebaut werden soll, welchen Wert muss im Gegenzug die entsprechende Ausgleichsfläche haben und welche Art an Ausgleichsfläche hat dann diesen Wert?
Natürlich gibt es auch dafür eine Regelung, nämlich die Bayerische Kompensationsverordnung (BayKompV).
Wie viele Punkte eine Fläche ökologisch wert ist, muss gutachterlich ermittelt werden, Streuobstwiesen etwa haben den Wert acht von 10.
Um jedoch bei einem neuen Bauvorhaben nicht erst aufwändig nach Ausgleichsflächen suchen und diese bewerten zu müssen, gibt es die sogenannten Ökokonten. Gemeinden können dort bestimmte Flächen anhand ihrer jeweiligen Wertepunkte „ansparen“ und dann bei Bedarf „abbuchen“. Solche „Anspar“-Flächen müssen allerdings immer mindestens 2000 qm groß sein. Bei uns in Aying haben wir im Rahmen der letzten Flächennutzungsplanänderung bereits einige solcher Flächen zur Bevorratung vorgesehen.
Gute Idee, schlechte Umsetzung:
Leider gibt es an der Ausgleichsflächenregelung auch viel Kritik. Einige der Negativpunkte sollen hier erwähnt werden:
- Die Bewertung: Das Verfahren kennt zehn Stufen und der Wert der wertvollsten ökologischen Fläche (z.B. eines Moores – Stufe 10) ist dabei nur unwesentlich höher als der Wert anderer Flächen (z.B. einer Streuobstwiese – Stufe 8).
- Die Kontrolle: eine gesetzliche Kontrollpflicht gibt es nicht. Prinzipiell zuständig dafür wären die unteren Behörden (Verwaltungen der Kommunen, untere Naturschutzbehörde), doch meist scheitert es an fehlendem Personal für so eine Zusatzaufgabe.
- Die Dauer: In der Regel erlischt die Verpflichtung zum Erhalt einer Ausgleichsfläche nach 25 – 30 Jahren, wohingegen die dafür bebauten Flächen wesentlich länger Bestand haben.
Meist wird unterschätzt, welchen pflegerischen Aufwand eine Ausgleichsfläche hervorruft. Wer schon einmal eine insektenfreundliche Blühwiese angelegt hat, weiß, dass es mit der Aussaat allein längst nicht getan ist. Zum richtigen Zeitpunkt zu mähen, ungewollte, sich schnell ausbreitende Pflanzen, zu entfernen, abgestorbene Blühpflanzen ggf. wieder zu ersetzen, auch möglicherweise einmal nachzusähen – all das gehört dazu. Auf Streuobstwiesen müssen regelmäßig die Bäume zugeschnitten werden. Im klimafreundlich umgebauten Wald müssen die Jungpflanzen regelmäßig kontrolliert, vor Wildverbiss geschützt und ältere Bäume vorsichtig entnommen werden, um den Jungpflanzen genug Licht zukommen zu lassen.
Schon nach ein bis zwei Jahren ist einer Ausgleichsfläche anzusehen, ob sich noch jemand darum kümmert. „Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 erfüllt nur jede fünfte Ausgleichsfläche ihren Sinn und Zweck und etwa ein Viertel der Ausgleichsflächen existiert gar nicht“, wie in diesem SZ-Beitrag deutlich wird.
Ausgleichsflächen heute in Aying:
Aktuell sind im Ayinger Gemeindegebiet 58 Ausgleichsflächen ausgewiesen. Dabei weisen drei Flächen eine Größe von mehr als einem Hektar auf. Wer sich für die Ausgleichsflächen in seiner Nähe genauer interessiert, der findet Angaben dazu auf der Gemeindehomepage.
Noch genauer zu sehen sind alle Ausgleichsflächen hier. Dort sind alle Ausgleichsflächen grün umrahmt. Durch Anklicken dieser Flächen erscheint ein Infokasten, wofür die jeweilige Ausgleichsfläche errichtet wurde und welche Maßnahmen dort durchgeführt wurden.
Unser grünes Fazit:
Zwar sind Ausgleichsflächen eine Maßnahme, um wenigstens im Rahmen der Gesetze die Zerstörung von Natur zu verringern, dennoch muss es unser Ziel sein, weitere Versiegelung und Bebauung im Außenbereich möglichst zu vermeiden. Eine intakte Natur an unsere Kinder und Enkel weiterzugeben, erfordert mehr als nur Gesetze. Es erfordert auch die Einsicht und den Willen, der Natur alles, was wir ihr unvermeidlich nehmen müssen, in ökologisch besserer Form wieder zuzuführen. Da kann es schon helfen, hin und wieder auf vernachlässigte Ausgleichsflächen bei der Gemeinde hinzuweisen und im optimalen Fall auch Hilfe bei der Pflege anzubieten.
Aying, 13. August 2023
Christine Squarra und Franz Klug
© Fotos: Christine Squarra privat
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